|
|
über
Musik als
"Predigt zur
Amtseinführung von Jutta Kneule am 10. Oktober 2004"
"Liebe
Gemeinde, wie
geht es Ihnen heute Abend? Wie fühlen Sie sich? Fühlen Sie sich eher: Orgelskizze:
in sich ruhend? Oder eher so: Orgelskizze:
fröhlich? Oder möglicherweise so: Orgelskizze:
nachdenklich? Oder trifft das am besten Ihre Stimmungslage: Orgelskizze:
aufgeregt? Oder dies: Orgelskizze: überschwänglich/erhaben?
Vielleicht liegt Ihre Gefühlslage auch irgendwo dazwischen oder ist sie eher
ganz vielstimmig, hat von allem etwas. Sie wissen es selbst am besten!
Versuchen
Sie doch jetzt einmal, Ihrer stärksten Grundstimmung des heutigen Abends einen
Ton zu geben – mit Ihrer Stimme. Summen Sie doch einmal ganz leise den Ton,
der für Sie gerade jetzt in diesem Augenblick am besten Ihre stärkste
Grundstimmung beschreibt. (…) Und probieren Sie es ruhig mal ein bisschen
lauter! (…) Ist
das nicht schön: diese Vielgestaltigkeit der Stimmen und Stimmungen! Eine
musikalische Momentaufnahme der Gemütsverfassung dieser Gottesdienstgemeinde!
Und würden wir dieses Experiment in einer halben Stunde oder morgen oder nächsten
Sonntag wiederholen, dann sähe das Ergebnis vermutlich schon wieder ganz anders
aus. Mir
scheint aus diesen kleinen Experimenten eines aber ganz deutlich zu werden: es
gibt kaum eine bessere Ausdrucksform unserer inneren Gestimmtheit und kaum eine
bessere Anknüpfungsmöglichkeit an diese innerste Gestimmtheit als die Musik.
Ganz schnell und ganz unmittelbar können wir unsere aktuelle Gemütsverfassung,
die Stimmung unseres Herzens mit einer Melodie identifizieren oder sie, wie eben
getan, mit dem ursprünglichsten aller Instrumente, nämlich unserer Stimme, zum
Ausdruck bringen. So kann eine Melodie, eine Musik oder auch der Klang der
eigenen Stimme tatsächlich eine unmittelbare Brücke, eine ganz direkte
Verbindung schaffen zwischen unserem Innersten und dem, was da Außen ist. Und
weil das so ist, liegt gerade auch in jeder Form von Musik – selbst musiziert
oder gesungen, oder auch von außen an mich herangetragen – eine ungeheure Möglichkeit:
nämlich ein großes Potential für Veränderung.
Wenn
ich z.B. selber singe oder musiziere, kann etwas aus mir heraus, sei es
beispielsweise überschwängliches Glück und Freude oder auch Traurigkeit und
Klage. Regungen meines Herzens, meiner Seele, die ich womöglich in gar keine
menschliche Sprache fassen kann, finden durch meine Melodie, durch meine Musik
einen Weg nach draußen. Und das tut gut, das hilft, das befreit, das entlastet.
Und
umgekehrt vermag Musik von außen an mich herangetragen meine innere
Gestimmtheit genau zu treffen oder zu verstärken oder sogar zu verwandeln, mal
von Moll in Dur, mal von Dur in Moll. Und ich denke, dass wir alle viele
Situationen vor Augen oder vielleicht besser: vor Ohren haben, wo uns wir diese
Kraft der Musik schon erlebt haben. Und
das Tolle dabei ist, dass Musik keine Länder- und Sprachgrenzen kennt. Musik
ist die Sprache, die überall ganz schnell verstanden wird, die uns überall
erreichen und bewegen kann. Sie, liebe Frau Kneule, haben das zusammen mit allen
Mitgliedern des „Hand in Hand Chores“ noch vor wenigen Wochen eindrücklich
erleben dürfen. Musik
also schafft eine direkte Brücke zwischen Innen und Außen, trägt die Möglichkeit
der Veränderung in sich und kennt keine Grenzen. Ist das nicht großartig,
welch wundervolle Gabe, welch weltumspannendes Kommunikationsmittel uns Gott mit
der Möglichkeit des Musikhörens und des eigenen Singens und Musizierens
geschenkt hat?
Freilich
– inwieweit und auch wie tief uns Musik erreichen, bewegen kann, das liegt zu
einem ganz großen Teil auch an uns selbst. Ich kann z.B. die unterschiedlichen
Formen und Arten von Musik eher beiläufig konsumieren. Das Radio im
Hintergrund, die Kaufhausmusik oder die Tonbänder der Weihnachtsmärkte sind
dafür gute Beispiele. Aber auch mein eigenes Singen oder Musizieren kann –
technisch womöglich ganz brillant vorgetragen – letztlich doch ohne jede
innere Anteilnahme geschehen, wiewohl ich glaube, dass Hörer/innen sehr genau hören,
ob Musik von Innen kommt oder nicht. Fehlende
innere Beteiligung beim Singen, Musizieren oder auch beim Musikhören verhindert
wirkliche Kommunikation. Erst die Bereitschaft alle Poren beim Singen,
musizieren oder Hören zu öffnen, schließt mich auf für das, was hinter der
Musik liegt oder darin verborgen.
Das,
was dahinter und darin verborgen liegt, ist allerdings nicht immer nur gut. Es
gibt Musik, die dunkle, zerstörerische Potentiale, die einen bösen Geist in
sich trägt und deswegen durchaus auch schaden kann. Denken wir nur an all das
faschistische, rechtsradikale Musikgut oder an die okkulten Musikströmungen,
die es in allen Jahrhunderten gegeben hat und gibt. Dann
gibt es Musik – und hat es immer gegeben -, bei deren Komponieren, Texten und
Präsentieren peinlich genau darauf geachtet wird den derzeitigen Geschmack oder
die aktuelle Gefühlslage der breiten Masse zu bedienen, Musik, die eigentlich
nur gemacht wird, um viel Geld zu verdienen. Solche Musik aber geht nicht
wirklich in die Tiefe, wobei die verschiedensten Formen musikalischer Gefühlsduselei
zugegebenermaßen ja manchmal auch ganz schön sein können. Dann
aber gibt es natürlich auch Musik, die ganz echt und authentisch ist, Musik
verschiedenster Machart, die davon erzählt, wie eine oder einer sich mit all
den hellen und dunklen Seiten des Lebens auseinander setzt – mal staunend, mal
kritisch, mal forschend, mal begeistert, mal einfühlsam oder auch mal ganz
fragend. Hier kann ich in ein inneres Gespräch kommen mit Komponist und/oder
Texter, ein Gespräch, das mich durchaus weiterbringen kann. Und
schließlich gibt es Musik, die von einem ganz guten Geist getragen ist, von
Gottes Geist. Musik, die in Ton und Wort erzählt von Glaube und Zweifel, von
Trost und Enttäuschung, von Hoffnung und Elend, von Gelingen und Scheitern,
Musik, die in Ton und Wort immer wieder daran erinnert, dass in und hinter all
diesen Seiten des Lebens und Glaubens Gott dabei ist, dass ER uns Menschen nicht
im Stich lässt, dass er uns liebt und uns zu dem uns von ihm zugedachten Leben
helfen will. Was für ein großer Reichtum musikalischer Literatur aus vielen
Jahrhunderten legt davon Zeugnis ab und wahrlich nicht nur in der Kirchenmusik!
Doch
gerade die Kirchemusik hat ihre ureigenste Aufgabe darin, dieses froh machende,
tröstende, aufrüttelnde, Mut machende Evangelium von der Heilsgeschichte
Gottes mit uns Menschen mit musikalischen Mitteln zu verkündigen. Kirchenmusik
ist deswegen nie Selbstzweck, sondern bleibt in all ihrer unterschiedlichen
Ausgestaltung verwiesen auf Gott und angewiesen auf IHN! Denn auch eine ganz
wunderbar klingende Evangeliumsverkündigung bleibt leer, kommt nicht zum Ziel,
wenn Gott sich nicht mit ihr verbindet!
Genau
das aber will Gott! ER will sich mit all unserem Singen, Musizieren und Hören
verbinden und durch seinen guten Geist das Evangelium in und durch uns alle zum
Strahlen, zum Klingen bringen. Und
deswegen tun wir gut daran, IHN immer von Neuem in unser Singen, Musizieren und
Hören hinein zu rufen. Und wir tun gut daran, IHN für die, die eine besondere
Verantwortung für die Kirchenmusik in unseren Gemeinden übernehmen, ganz ausdrücklich
um seinen Segen zu bitten. Heute
tun wir das für Sie, liebe Frau Kneule. Wir freuen uns so sehr, dass Gott Sie
so reich begabt und Sie schließlich hier zu uns in den Kirchenkreis und nach
Willingen geschickt hat. Möge der Segen Gottes Sie tragen in der
vielgestaltigen, oft sicher schönen, manchmal bestimmt aber auch mühsamen
Arbeit als Bezirkskantorin und Kirchenmusikerin dieser Gemeinde. Musik
ist ein Schatz, ein großes Gottesgeschenk, ein wunderbares
Kommunikationsmittel, das Ihnen, liebe Frau Kneule, in ganz besonderer Weise
anvertraut ist. Musik vermag eine direkte Brücke zu schaffen zwischen unserem
Innersten und dem Außen, sie trägt die Möglichkeit der Veränderung in sich
und kennt keine Grenzen. Und wo wir uns gegenüber der Musik und gegenüber Gott
öffnen, und wo Gott sich dann mit uns und unserer Musik verbindet, da wird in
dieser Musik präsent werden, was ohne sie oft unsagbar ist. Da gibt es jenseits
der Grenze der menschlichen Sprache plötzlich eine Ahnung des ganz Anderen,
ohne das, oder besser: ohne den wir nicht leben können! Und
deswegen höre ich jetzt auf mit der begrenzten menschlichen Sprache und überlasse
es Ihnen, liebe Frau Kneule, die Predigt zu beschließen mit dem, was Sie uns
heute mit Gottes Hilfe sagen möchten:
|